AUSTRIA MUNDI


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Joseph Haydn

Dr.Günther Berger

Joseph Haydn - Gott erhalte, Schicksal einer Hymne
Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek
28.November 2008 - 01.Februar 2009

Während des 1. Kpaltionskrieges gegen Napoleon Bonaparte (15.08.1769 Ajaccio - 05.05.1821 Longwood/St. Helena) beklagte der kaiserliche Hofbeamte Franz Joseph Graf von Saurau (19.09.1760 Wien - 09.06.1832 Florenz) das Fehlen eines patriotischen Liedes. "Oft habe ich bedauert, daß wir nicht gleich den Engländern ein Nazionallied hatten, das geeignet wäre die treue Anhänglichkeit des Volkes an seinen guten und gerechten Landesvater vor aller Welt kund zu thun.....". Als Textdichter wählte Graf Saurau den ehemaligen Jesuiten und Professor der Ästhetik am Theresianum, Lorenz Leopold Haschka (Haska, 01.09.1749 Wien - 03.08.1827 Wien), als Komponist Franz Joseph Haydn (31.03.1732 Rohrau - 31.05.1809, 00:50 Uhr, Wien Gumpendorf).

Haydn verfertigte im 1894 demolierten Haus Neuer Markt 2 zunächst eine Verlaufsskizze der Melodie an, in der noch erhebliche Abweichungen zur späteren Endgestalt zu bemerken sind. Es folgten Reinschriften der Hymne in der Fassung für Singstimmen und Klavier und auch eine Fassung für Orchester, die vermutlich für die Uraufführung im K.k.Hoftheater nächst der k.k. Burg zum Geburtstag von Kaiser Franz II. (12.02.1768 Florenz - 02.03.1835 Wien) im Jahre 1797 geschrieben wurde.

Haydns
Kaiserlied "Gott erhalte" (Erstdruck 1797) wurde zu einer der meist zitierten und variierten Melodien der Musikgeschichte. Den Anfang machte Haydn selbst. Noch 1797 verwendete er es als Grundlage des Variationensatzes des "Kaiserquartetts" (Hiob III:77). In jeweils einer anderen Stimme des Streichersatzes erscheint die Melodie in unveränderter Gestalt. die übrigen Stimmen umspielen und "Umkreisen" sie.

Antonio Salieri (18.08.1750 Legnano - 07.05.1825 Wien) verwendete Haydns Kaiserlied im Vorspiel seiner Kantate "Der Tyroler Landsturm" Der Beethovenschüler, Klavierpädagoge und Komponist Carl Czerny (21.02.1791 Wien - 15.07.1857 Wien) schrieb ein großes Variationenwek darüber.

Die emotrionale Beziehung Haydns zu seinem Werk wird in einem Bericht des Dichters, Schauspielers und Theaterdirektors August Wilhelm Iffland (19.04. 1759 hannover - 22-09-1814 Berlin) deutlich, der den Komponisten im September 1808 in dessen Haus Obere Windmühle, kleine Steingasse 73 besuchte:
"Er stand auf, reichte dem Bedienten den Arm. Wo geleiten ihn alle drei in unseren Armen zum Pianoforte. - Er setzte sich daran nieder und sagte: , Das Lied heißt, Gott erhalte Franz den Kaiser 'I' - er spielte hierauf die Melodie ganz durch, und zwar mit unerkärbarem Ausdruck, nit innigen Halten - welche sein schimmerndes Auge ausfüllte.- Nach Endigung des Liedes blieb er noch eine Weile vor dem Instrumenten stehen, legte beide Hände darauf und sagte mit dem Ton eines ehrwürdigen Patriarchen: ,Ich spiele dieses Lied an jedem Morgen und oft habe ich Trost und ERhebung daraus genommen in den Tagen der Unruhe. - Ich kann auch nicht anders, ich muß es alle Tage einmal spielen. - Mir ist herlich wohl, wenn ich es spiele und auch noch eine Weile nachher."

1820 übergab Franz Graf Saurau den Konvolut der Originalhandschriften Haydns zum Kaiserlied dem Hofmusikarchiv, von wo es 1826 in die Hofbibliothek gelangte. Nach dem Tod es ursprünglichen individuellen Adressaten und dem Regierungsantritt seines Sohnes Ferdinand I (19.04.1793 Wien - 29.06.1875 Prag) ergab sich die Notwendigkeit eines neuen Textes- Karl Eduard von Holtei (24.01.1798 Breslau - 12.02.1880 Breslau) und bald darauf Joseph Christian Freiherr von Zedlitz (28.12.1790 Schloß Johannesberg/Jauernig - 16.03.1862 Wien) dichteten Verse auf Ferdinand I, die jedoch nicht populär wurden. Das Volk sang weiterhin "Gott erhalte Franz den Kaiser". Adalbert Stifter (23.10.1805 Oberplan/Horni Plana - 28.01.1868 Linz) gab die Anregung, für die Hymne einen allgemeinen, nicht auf eine bestimmte Herscherpersönlivhkeit zugeschnittenen Text zu verfassen, der im Lauf der Zeit ähnlicher Bedeutung wie Hydns Hymne gewinnen sollte und schlug Franz Grillparzer (15.01.1791 Wien 1, Bauernmarkt 10 - 21.01.1872 Wien, 1, Spiegelgasse 21 vor. Grillparzer legte tatsächlich einen Textentwurf vor, bezeichnete diesen aber selbst als "mißlungen". Daraufhin wurden mehrere österreichische Schriftsteller um Textvorschläge gebeten. 1853 komponierte Johann Hinek nach dem Attentat auf Kaiser Franz Joseph I (18.02.1853) "Fantasie mit Varationen über die allbeliebte Volks-Hymne", wobei Haydns Melodie die "Gefühle der Freude über die glückliche Rettung und Genesung" des jungen Kaisers verkörpern sollte.

1854 entscxhied man sich für den Text von Johann Gabriel Seidl 21.06-1804 Wien - 18.07.1875 Wien) "Gott erhalte, Gott beschütze unseren Kaiser, unser Land", der nur in der 5. Strophe explizit auf den seit 2.Dezember 1848 regierenden Kaiser Franz Joseph I. (18.08. 1830 Wien-Schönbrunn - 21-11-1916 Wien-Schönbrunn) und auf Kaiserin Elisabeth (24.12.1837 München - 29.09.1898 Genf) verweist und bis 1918 offizieller Text der für die österreichisch-ungarische Monarchie verbindlichen Hymne blieb.

Ebenfalls im 19.Jahrhundert entstand eine Textierung, die mit der Intention des Kaiserliedes überhaupt nicht zu tun hatte. Das 1841 von Prof. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (02.04.1798 Fallerslkeben - 19.01.1874 Schloß Corvey) auf Helgoland geschriebene "Lied der Deutschen" "Deutschland,Deutschland über alles" das dann zur Haydn - Melodie gesungen wurde und die deutsche Nationalbewegung symbolisierte und bis heute die Bundeshymne der Bundesrepublik Deutschland ist.

In der Zeit des 1. Weltkrieges wurde Haydns Kaiserlied für Kriegspropaganda missbraucht. "Gott erhalte unsre Kaiser", Patriotischer Marsch von Richard Haller, Worte von Robert Blum (1915). Kriegspostkarten mit der Aufschrift "Gott erhalte" waren sehr beliebt.

1918 trennte sich die Republik Österreich doch von der Haydn-Hymne, weil sie zu sehr mit dem Erzhause Habsburg verbunden war. Der ehemalike Parlamentsbibliothekar Staatskanzler (Oktober 1918 - Juni 1920) Dr. Karl Renner (14.12.1870 Untertannowitz/Nikolsburg - 31-12-1950 Wien) schrieb selbst einen neuen Text "Deutsch-Österreich, du herrliches Land" und bat Wilhelm Kienzl (17.01.1857 Waizkirchen,OÖ - 03.10.1941 Wien) um Vertonung. Doch weder der Text noch die Melodie konnte sich durchsetzen. Daraufhin wurde 1929 die Hymne Haydns mit einem Text des ehemaligen Vorauer Stiftsbibliothekars Ottokar Kernstock (25.07.1848 Maribor - 05.11.1928 Festenburg) "Sei gesegnet ohne Ende, Heimaterde wunderhold" versehen.

Nach 1945 gab es manche Anregungen, wieder zur Haydn Hymne zurückzukehren, doch die Stimmen, die dies wegen der Assoziationen zum "Deutschlandlied" ablehnten, waren lauter. 1947 wurde im Rahmen eines Preisausschreibens der Text "Land der Berge, Land am Strome" von Paula von Preradovic (12.10.1887 Wien - 25.05.1951 Wien) ausgewählt. Die Melodie wurde fälschlicherweise Wolfgang Amadeus Mozart (Anhang zur Kantate KV 623, Erstdruck Hraschanzky 1792) zugeschrieben, entstammt jedoch einem "Kettenlied" des 18. Jahrhunderts.

Als Marschall Josip Broz "Tito" (25.08.1892 Kumrovec - 04.05-1980 Ljubljana), der als Feldwebel der österreichisch - ungarischen Armee in russischer Kriegsgefangenschaft geraten war - am vorletzten Tag seines fünftägigen Staatsbesuches (Donnerstag, 16.02.1967) nach dem Belvedere und dem Kunsthistorischen Museum die Österreichische Nationalbibliothek besuchte und dort auch Haydns Kaiserhymne vorgelegt bekam, meinte er zu seiner Gattin auf kroatisch: "Dieses Lied haben die Likaner immer besonders gerne gehabt, sie singen es auch manchmal heute noch." (Lika heißt eine Landschaft in der Mitte von Kroatien.)

Prof. Dr. Günther Berger



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